7. August 2022 / Aus aller Welt

Wo es noch neue Ameisenarten zu entdecken gibt

In den meisten Land-Ökosystemen machen sie einen großen Teil der Masse von Tieren dort aus: Ameisen sind höchst erfolgreiche Weltbesiedler, wie eine neue Analyse bestätigt.

Viele bisher unbekannte Arten könnte es in den tropischen Anden, im Westghats-Gebirge in Indien und in großen Teilen Südostasiens geben.

Sie buddeln Nester in die Fugen städtischer Gehwegplatten, tragen in Wäldern riesige Haufen zusammen und überraschen mit betriebsamen Transportstraßen mitten in der Küche: Ameisen scheinen sich allerorts wohlzufühlen. Tatsächlich gibt es sie fast überall auf der Welt, auch in sehr unwirtlichen Regionen.

Lediglich die Polgebiete sind ameisenfrei, wie Forschende im Fachmagazin «Science Advances» erläutern. Zu mehr als 14.000 bekannten Ameisenarten haben sie Vorkommen und Verbreitung in einer Weltkarte zusammengetragen.

Insgesamt könnte es doppelt so viele Spezies geben, denn das Vorkommen der Ameisen ist in manchen Weltregionen nicht gut untersucht, wie das Team um Evan Economo und Jamie Kass vom Okinawa Institute of Science and Technology in Onna (Japan) schreibt. Mit einem Computermodell haben sie errechnet, in welchen dieser Gegenden es wahrscheinlich eine große biologische Vielfalt bei Ameisen gibt. «Dies gibt uns eine Art "Schatzkarte", die uns zeigen kann, wo wir als nächstes nach neuen Arten mit begrenztem Verbreitungsgebiet suchen sollten», so Economo. Viele bisher unbekannte Arten könnte es demnach etwa in den tropischen Anden, im Westghats-Gebirge in Indien und in großen Teilen Südostasiens geben.

Ameisen sind wichtig für das Funktionieren von Ökosystemen, unter anderem, weil sie für das Belüften des Bodens sorgen, Kadaver beseitigen und Samen verbreiten. Schätzungen zufolge könnte die Biomasse aller Ameisen auf der Erde ähnlich groß sein wie die aller Menschen.

Für ihre Weltkarte hatten die Forschenden in rund zehn Jahren Informationen aus 1,8 Millionen Quellen zusammengetragen. Doch es gab ein Problem: «Einige Gebiete der Welt, von denen wir erwartet hatten, dass sie Zentren der Vielfalt sind, tauchten nicht auf unserer Karte auf», erklärt Kass. Grund dafür war, dass für einige Regionen das Vorkommen von Ameisen noch nicht gut erforscht ist. Die dadurch entstehende Verzerrung im globalen Bild rechnete das Team nun heraus. Die entstandenen Karten zeigen unter anderem, wo auf der Welt gesichert oder wahrscheinlich besonders viele oder besonders wenige Ameisenarten vorkommen.

Überdurchschnittlich viele Spezies gibt es demnach in Mittelamerika, Brasilien (Amazonasgebiet und Atlantischer Regenwald), Australien, Madagaskar und Neuguinea. Teile von Zentralafrika und Südostasien (zwischen China und Australien) sind schon als Biodiversitätszentren für Ameisen bekannt, die Vielfalt könnte aber nach Einschätzung der Forscher bei besserer Untersuchung noch größer werden.

Größte Ameisenkolonie der Welt ist in Europa

Der einzige Hotspot in Europa ist der Mittelmeerraum. Hier gibt es auch die womöglich größte Ameisenkolonie der Welt, die sich über tausende Kilometer von Italien bis nach Spanien erstreckt. Sie besteht aus mehreren Millionen Nestern mit insgesamt mehreren Milliarden Argentinischen Ameisen (Linepithema humile) - eine aus Südamerika in etliche Weltregionen eingeschleppte Art.

Den Forschenden zufolge soll die Karte dabei nützen, Ameisen und allgemein wirbellose Landtiere stärker in Überlegungen zum Erhalt der biologischen Vielfalt etwa durch Schutzgebiete einzubeziehen. Solche Gebiete orientieren sich bisher hauptsächlich an Wirbeltieren, vor allem Säugetieren und Vögeln.

Die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen stellten fest, dass sich die Zentren seltener Ameisenarten zu etwa 78 Prozent mit den Zentren seltener Wirbeltierarten überlappen. «Dies stärkt das Vertrauen, dass die Erhaltung von Gebieten, die für Kleinwirbeltiere wichtig sind, auch wirbellosen Tieren zugute kommt.»

Aktuell seien allerdings nur rund 15 Prozent der wichtigsten Zentren seltener Ameisenarten rechtlich geschützt, etwa durch einen Nationalpark oder ein Reservat. «Wir haben eindeutig viel zu tun, um diese kritischen Bereiche zu schützen», so Economo.


Bildnachweis: © Sina Schuldt/dpa
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