1. Juni 2022 / Aus aller Welt

Europa wird zur Drehscheibe für den Kokainhandel

Verpackt zwischen Bananen oder Ananas gelangen Drogen nach Europa. Zollfahnder beschlagnahmen Rekordmengen Kokain, doch es ist nur die Spitze des Eisberges. Der Markt ändert sich. Mehr Handel, mehr Banden, mehr Gewalt.

Sichergestelltes Kokain im Hamburger Hafen.

Ein Rekord jagt den nächsten: 73 Tonnen Kokain sind im vergangenen Jahr allein im Hafen von Rotterdam sichergestellt worden - zum Verkaufswert von etwa fünf Milliarden Euro.

In Hamburg waren es mehr als 19 Tonnen - soviel wie nie zuvor. Doch für die Fahnder sind diese Erfolge auch der bittere Beweis, dass Europa eine Drehscheibe des Kokainhandels geworden ist.

«Wir wissen, dass das nur die Spitze des Eisberges ist», sagt Jan op gen Oorth von Europol in Den Haag der Deutschen Presse-Agentur.

Die Mengen werden immer größer

In Europa wird heute mehr Kokain angeboten als je zuvor, stellen Europol und die Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht im neuesten Bericht über den Kokain-Markt fest.

2020 waren in der EU 214,6 Tonnen beschlagnahmt worden. Ein Rekord, und der wurde 2021 übertroffen: Nach den vorläufigen Daten wurden 240 Tonnen sichergestellt. An der Spitze steht der Hafen von Antwerpen, gefolgt von Rotterdam und dann Spanien.

Für den Kokain-Boom gibt es viele Gründe. Die Produktion in Südamerika stieg nach Angaben von Europol enorm und dadurch auch der Schmuggel. Die Kartelle arbeiten professioneller.

«Sie sind wie legale Wirtschaftsunternehmen aufgestellt», sagt Op gen Oorth. Die Drogenexperten schätzen, dass allein in Kolumbien jährlich 2000 Tonnen Kokain produziert werden. Mehr als 60 Prozent davon komme nach Europa.

Dabei wurden auch die Kontrollen verstärkt. «Aber sie reichen nicht aus angesichts der immensen Liefermengen», sagt der Europol-Sprecher. Und wenn die Fahnder dann doch einmal zwischen einer Ladung Bananen oder Ananas Pakete mit Kokain entdecken, dann ist das für die Drogenkartelle kaum mehr als Pech. «Die sagen sich: "Was soll's?"», sagt Op gen Oorth. «Diese Verluste nehmen sie in Kauf.»

Das Kokain ist längst nicht nur für Europäer bestimmt, sagt der Sprecher. «Die EU ist zur Drehscheibe geworden für Asien, den Nahen Osten und Australien.» Die kriminellen Banden nutzten das «Gütesiegel EU»: Ein Container aus der EU werde eben weniger schnell kontrolliert als einer aus Südamerika.

Die Gewaltexzesse häufen sich

Vom lukrativen Geschäft wollen auch immer mehr Gruppen profitieren. Doch mehr Konkurrenz führt auch zu mehr Gewalt. Die internationale Bande um den marokkanischstämmigen Niederländer Ridouan Taghi zum Beispiel, dem derzeit in Amsterdam ein großer Prozess gemacht wird, ist berüchtigt für extreme Gewalt. Auch der Mord am Kriminalreporter Peter R. de Vries in Amsterdam im vergangenen Jahr soll auf das Konto der Bande gehen.

Mehr Gewalt und strengere Kontrollen führen dazu, dass die Kartelle ausweichen auf andere Häfen in Kalabrien etwa oder in Hamburg.

Der norddeutsche Zoll stellte 2021 die Rekordmenge von 19,1 Tonnen Kokain sicher, mehr als doppelt soviel wie im Vorjahr. Allein 16 Tonnen entdeckten die Fahnder im Februar 2021 in Containern aus Paraguay - die größte je in Europa sichergestellte einzelne Kokain-Ladung mit einem Verkaufswert von mehr als zwei Milliarden Euro.

Im Zuge der Ermittlungen wurden in den Niederlanden und Belgien insgesamt weitere gut 18 Tonnen gefunden. Und nicht nur das: Am Ende wurden auch die Täter ausfindig gemacht. Die internationale Bande wurde nach Angaben des Landeskriminalamts Niedersachsen im April zerschlagen. Nach Razzien in Deutschland, den Niederlanden, Belgien, Spanien und Paraguay wurden etwa 20 Verdächtige festgenommen - darunter auch der mutmaßliche Drahtzieher.

Es war einer der großen Erfolge europäischer Ermittler. Doch die Fahnder machen sich keine Illusionen. Die meisten Lieferungen aus Südamerika kommen trotz aller Bemühungen des Zolls vermutlich durch. Es ist kaum einzuschätzen, ob die Beschlagnahme der Rekordmengen 2021 überhaupt eine Auswirkung auf den globalen Handel hatte.


Bildnachweis: © Marcus Brandt/dpa
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