23. Dezember 2021 / Aus aller Welt

Kokainschmuggel: Funde und Prozesse im XXL-Format

Im Kampf gegen den Kokainhandel geht es um viel Geld und gewaltbereite Verbrecher. Hamburger Zollfahnder wollen nicht nur die Drogen abfangen, sondern auch die kriminellen Strukturen zerschlagen.

Sichergestelltes Kokain im Hamburger Zollfahndungsamt.

Probleme mit Lieferketten scheint die organisierte Rauschgift-Kriminalität nicht zu kennen. Mehr als 18 Tonnen Kokain fanden die Beamten des Zollfahndungsamts Hamburg bei ihren Kontrollen im Jahr 2021.

Meist waren die Drogen in Containern versteckt, wie ein Behördensprecher sagt. Im gesamten Vorjahr hatten die Zollfahnder weniger als halb so viel Rauschgift dieser Art abgefangen - nur gut acht Tonnen. Allein 16 Tonnen hatten die Beamten im Februar in Containern aus Paraguay entdeckt. Es habe sich um die größte je in Europa sichergestellte Kokainmenge gehandelt, teilte das Zollfahndungsamt mit. Der illegale Warenstrom riss aber nicht ab. Im November stellten Fahnder 360 Kilo Kokain sicher. Die Hamburger Behörde ist für alle deutschen Containerhäfen an Nord- und Ostsee zuständig.

Seit 2020 werden auch die Täter vermehrt zur Rechenschaft gezogen. Viele haben sich nämlich selbst verraten, indem sie verschlüsselte Handys des Anbieters Enchrochat nutzten. Seit französische und niederländische Behörden die Verschlüsselung knackten, sind allein am Landgericht Hamburg 123 Verfahren mit mehr als 200 Angeklagten in Gang gekommen. Ganz häufig gehe es in diesen Prozessen um Kokain, sagt der Sprecher des Hanseatischen Oberlandesgerichts, Kai Wantzen.

6,3 Tonnen noch im Umlauf

Zwei ungewöhnlich große Prozesse haben im September und Oktober begonnen. Im ersten Verfahren stehen zehn Männer vor Gericht, die sich am Schmuggel von mehr als drei Tonnen Kokain beteiligt haben sollen. Deutlich mehr, nämlich rund acht Tonnen der Droge, sollen elf Männer aus Kolumbien nach Hamburg geschmuggelt haben. Davon hätten die Fahnder aber nur 1,7 Tonnen sicherstellen können, berichtet Wantzen. Die restlichen 6,3 Tonnen seien im Umlauf. Die Mammutverfahren bringen das Gericht an die Grenzen seiner räumlichen und personellen Kapazitäten, gerade in Corona-Zeiten.

Dank der Encrochat-Daten hat das Hamburger Landgericht noch viel Arbeit vor sich. Von den 123 Verfahren sind noch 55 anhängig. Die meisten Angeklagten sitzen in Untersuchungshaft. Die Richter müssen sich darum sputen, denn in solchen Fällen sind sie zur Eile verpflichtet. Immerhin hat der rot-grüne Hamburger Senat neun zusätzliche Richterstellen bewilligt. Drei neue Strafkammern wurden zur Bewältigung der Encrochat-Verfahren eingerichtet. Inzwischen hat die europäische Polizeibehörde Europol allerdings einen weiteren Verschlüsselungsdienst geknackt. Der Datenbestand von Sky ECC soll nach Angaben des Deutschen Richterbundes bis zu viermal so groß sein wie der Encrochat-Fund.

Stoff in reiner Form wird gestreckt

Im Kokain-Handel geht es um riesige Geldsummen. Das Rauschgift komme in Deutschland meist in sehr reiner Form an, sagt der Sprecher des Zollfahndungsamts, Stephan Meyns. Der Wirkstoffgehalt betrage um die 90 Prozent. Dealer würden das weiße Pulver in der Regel strecken, so dass sich die doppelte Menge ergebe. Auf der Straße koste ein Gramm des gestreckten Kokains um die 60 Euro. Ein Kilogramm - die übliche Portionierung im Schmuggel - ist also rund 120.000 Euro wert. Bei dem Rekordfund von 16 Tonnen geht um rund zwei Milliarden Euro.

Im Umgang mit dem Stoff geht der Zoll darum kein Risiko ein. Bis auf eine kleine Menge zur Beweissicherung werden sichergestellte Drogen möglichst schnell vernichtet. Wann und wo das gemacht wird, soll geheim bleiben. Die bayerische Polizei ließ kürzlich aber eine Beobachtung durch Pressevertreter zu. Bei der «Operation Schneeschmelze» landeten 1,5 Tonnen des weißen Pulvers in einer Müllverbrennungsanlage. Der Lastwagen auf dem Weg zu der geheimen Anlage in Oberbayern wurde von zahlreichen Polizeiwagen mit Blaulicht und schwer bewaffneten Beamten begleitet. Wo die Hamburger Rekordmengen verbrannt wurden, bleibt ein Geheimnis.

Bei den Tätern herrsche eine hohe Gewaltbereitschaft, sagt Meyns. Er verweist auf die Ermordung des niederländischen Kriminalreporters Peter R. de Vries, der im Juli auf offener Straße in Amsterdam erschossen wurde. De Vries war die Vertrauensperson eines Kronzeugen in einem Drogenprozess. Zuvor waren bereits der Anwalt und ein Bruder des Kronzeugen ermordet worden.

«Wir versuchen unseren Beitrag zu leisten, dass wir in Deutschland solche Verhältnisse nicht haben», sagt Meyns. Ziel der Zollfahnder sei darum nicht nur, die Drogenlieferungen abzufangen, sondern auch die Strukturen der Täter zu zerschlagen. Im Fall des Rekordfundes vom Februar ist das offenbar noch nicht gelungen. «Die Ermittlungen dauern an», sagt Meyns. Immerhin konnten niederländische Fahnder auch in diesem Fall auf Daten aus Krypto-Handys zurückgreifen.


Bildnachweis: © Bodo Marks/dpa
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