3. Mai 2023 / Aus aller Welt

Razzien und Festnahmen: Großeinsatz gegen die Mafia

Mehr als 1000 Einsatzkräfte sind nun gegen die Organisation 'Ndrangheta hierzulande vorgegangen, Dutzende Leute wurden verhaftet. Auch in anderen EU-Staaten gab es Razzien und Festnahmen.

Ein Polizeibeamter entlädt am Landeskriminalamt Rheinland-Pfalz einen Transporter mit sichergestelltem Material aus einer Razzia in mehreren Bundesländern gegen die italienische Mafia 'Ndr...

Bei einer der größten Razzien in Europa gegen die süditalienische 'Ndrangheta sind rund 150 mutmaßliche Mafiosi in mehreren Ländern festgenommen worden. Nach monatelangen Ermittlungen schlugen am Mittwoch allein in Deutschland mehr als 1000 Polizisten zu und vollstreckten rund 30 Haftbefehle in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Bayern und dem Saarland. Die meisten Verdächtigen wurden in Italien verhaftet, nachdem die Staatsanwaltschaft von Reggio Calabria 108 Haftbefehle erwirkt hatte. Auch in Belgien, Frankreich, Spanien, Portugal, Rumänien und Slowenien wurden mutmaßliche Helfer festgenommen.

Geldwäsche und Steuerhinterziehung

«Die heutigen Razzien sind eine der größten bislang durchgeführten Operationen im Kampf gegen die italienische organisierte Kriminalität», sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD). Die 'Ndrangheta ist nach Einschätzung des Bundeskriminalamtes (BKA) derzeit die «relevanteste Mafia-Gruppierung» mit einer dominanten Stellung auf dem europäischen Kokainmarkt. Sie gilt als gefährlicher als die sizilianische Cosa Nostra und die Camorra aus Neapel.

Und sie ist in Deutschland aktiv, wie die aktuellen Ermittlungen der Operation «Eureka» ergaben. Innerhalb der 'Ndrangheta wurden drei große Gruppen identifiziert, die zu den mächtigsten Familien gehören und sich um den internationalen Drogenhandel kümmern sollen. Eine davon hat den Fahndern zufolge auch einen Ableger in München. Sie wird dem Clan der Nirta-Strangio zugerechnet - dieser wiederum war 2007 in die berühmten Mafiamorde von Duisburg verwickelt, bei denen sechs Menschen erschossen wurden.

Den nun Festgenommenen wird neben Geldwäsche, bandenmäßiger Steuerhinterziehung, gewerbsmäßigem Bandenbetrug vor allem auch Rauschgiftschmuggel vorgeworfen. Die 'Ndrangheta gilt als eine der führenden Organisationen beim Drogenhandel mit Südamerika. Der italienische Staatsanwalt Giuseppe Lombardo berichtete bei einer Pressekonferenz in Reggio Calabria, dass während der Ermittlungen und bei der Razzia rund 23 Tonnen Kokain sichergestellt worden seien. Er rechnete vor, dass dieses Rauschgift einen Straßenwert von etwa zwei Milliarden Euro gehabt habe. Dies mache die Größenordnung deutlich, mit der es die Fahnder bei der 'Ndrangheta zu tun hätten, sagte er.

Die Mafia versuche auf unterschiedliche Art und Weise, das Drogengeld zu waschen, unter anderem im Gastgewerbe, Tourismus und auf dem Immobilienmarkt. Lombardo berichtete zudem von Erkenntnissen, wonach Organisationen aus China in das Geldwäschesystem involviert seien.

Ermittlungen seit Juni 2019

Das Verfahren wurde von einer gemeinsamen Ermittlungsgruppe geführt, an der Europol und Eurojust, die Agentur der EU für Zusammenarbeit in Strafsachen, beteiligt seien. Die Ermittlungen hatten schon im Juni 2019 mit einer gemeinsamen Aktion der belgischen Staatsanwaltschaft und der Carabinieri begonnen. Neben Italien waren am Ende Behörden aus Belgien, Frankreich, Italien, Portugal und Spanien dabei. Italien lobte die Zusammenarbeit. Staatsanwalt Giovanni Bombardieri sprach von der «vielleicht wichtigsten Operation mit der bislang größten Kooperation» im Kampf gegen die organisierte Kriminalität.

18 Haftbefehle allein in NRW vollstreckt

Schwerpunkte des Einsatzes in Deutschland waren den Angaben zufolge Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz mit jeweils rund 500 Beamtinnen und Beamten. In Nordrhein-Westfalen wurden 51 Häuser, Wohnungen, Büros und Geschäftsobjekte durchsucht und 18 Haftbefehle vollstreckt. An den Razzien war auch die Einsatzhundertschaft und das Spezialeinsatzkommando beteiligt. In Rheinland-Pfalz gab es 50 Durchsuchungsbeschlüsse und zehn Verhaftungen. Unterstützt wurden die Einsatzkräfte dort von Spezialeinheiten des Bundes und anderer Länder sowie des Zolls und der Steuerfahndung.

In Thüringens Hauptstadt Erfurt wurden vier Objekte durchsucht und ein EU-Haftbefehl vollstreckt. In Bayern laufen den Angaben zufolge Ermittlungen gegen acht Personen. Seit dem Morgen wurden zehn Objekte durchsucht, gegen vier Personen wurden EU-Haftbefehle vollstreckt.

In Saarbrücken wurden ein Wohnhaus und Geschäftsräume eines 47-jährigen Mannes durchsucht, außerdem eine Räumlichkeit, die der Mann in Saarlouis angemietet hat. Der mit Haftbefehl gesuchte Mann wurde in Italien festgenommen. Ein weiterer mit Haftbefehl gesuchter 25-Jähriger aus dem Saarland wurde ebenfalls in Italien festgenommen.

Innenministerin: «empfindlicher Schlag»

«Mit den heutigen, europaweit koordinierten Maßnahmen haben die Strafverfolgungsbehörden der 'Ndrangheta einen empfindlichen Schlag versetzt», sagte Ministerin Faeser. Der rheinland-pfälzische Ressortchef Michael Ebling (SPD) meinte: «Vom heutigen Tag geht das ganz deutliche Signal aus: Für die Organisierte Kriminalität ist kein Platz in Europa und für sie ist ganz sicher auch kein Platz hier bei uns in Rheinland-Pfalz.» Die Strafverfolgungsbehörden seien wachsam und schlagkräftig. Machenschaften krimineller Organisationen würden entschlossen und konsequent verfolgt.

Die 'Ndrangheta hat ihre Wurzeln in Kalabrien, der Fußspitze des italienischen Stiefels. Laut BKA hat sie eine hierarchische Struktur und wiederholt gezeigt, dass sie fähig sei, Wirtschaft und Politik in Italien zu infiltrieren. Darüber hinaus sei die Gruppierung hauptsächlich in Spanien, Frankreich, den Niederlanden, Deutschland, der Schweiz, Kanada, den USA sowie Kolumbien und Australien tätig.

Der Begriff 'Ndrangheta stammt aus dem Griechischen und bedeutet etwa Mut oder Treue. Die Mafia-Organisation soll sich in den 1860er Jahren gegründet haben, als eine Gruppe Sizilianer von der italienischen Regierung von der Insel verbannt wurde.


Bildnachweis: © Sebastian Gollnow/dpa
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