14. Dezember 2021 / Aus aller Welt

Immunologen gegen Boostern für alle schon nach vier Wochen

In NRW können Menschen demnächst wohl schon einen Monat nach der zweiten Impfung gegen das Coronavirus eine dritte Spritze bekommen. Macht das Sinn? Immunologen haben dazu eine ganz klare Meinung.

Ein Arzt führt in einer Impfstelle eine Booster-Impfung durch.

Eine Booster-Impfung schon nach vier Wochen macht aus Sicht von Immunologen wenig Sinn. In Nordrhein-Westfalen sind Booster-Impfungen nach einem Erlass der Landesregierung grundsätzlich nach vier Wochen möglich, es gebe aber keine ausdrückliche Empfehlung dafür, sagte Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) am Dienstag.

Manche Politiker fordern bereits, diesen Weg auszuweiten. Die Deutsche Gesellschaft für Immunologie sieht das kritisch: Vier Wochen nach der Zweitimpfung seien bestimmte immunologische Prozesse noch nicht abgeschlossen. Der Booster wirke dann viel schlechter.

«Die Politik hat hier zwei Dinge vermischt, die nicht vermischt werden dürfen», sagte Prof. Carsten Watzl (Dortmund), Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie, der Deutschen Presse-Agentur. Das eine ist die Empfehlung der Ständigen Impfkommission, manche Menschen schon nach vier Wochen zu boostern. «Das bezieht sich aber nur auf Menschen mit geschwächtem Immunsystem, die auf die ersten beiden Impfungen nicht oder kaum reagiert haben», erklärte der Immunologe. «Mit der dritten Impfung wird deren Immunität nicht geboostert - ich muss sie erst einmal herstellen.»

«Bei allen anderen - und das ist die Mehrheit - möchte ich mit der dritten Impfung eine Verstärkung der Immunität erreichen», sagte Watzl. «Dafür müssen bestimmte Prozesse erst abgeschlossen sein.» Es müssten sich ausreichend antikörperproduzierende Plasmazellen und T-Zellen gebildet haben, manche müssten in Gedächtniszellen umgewandelt werden, andere ins Knochenmark wandern. «Das sind Prozesse, die nach vier Wochen noch nicht abgeschlossen sind.»

Aus immunologischer Sicht seien vier Monate das Minimum, sagte Watzl. «Wenn ich dann ein drittes Mal impfe, hat der Körper die Zellen, die am besten auf den Erreger zugeschnitten sind, bereits ausgebildet - und die möchte ich noch mal verstärken. Damit ist die Immunität viel besser als wenn ich nach vier Wochen erneut impfe.» Die Entscheidung sei vermutlich aus Angst vor Omikron gefallen, sagte Watzl, hält das aber «für nicht zielführend. Was zielführender wäre, wäre jetzt noch mal die Rate der Erst- und Zweitimpfungen zu steigern.»

Auch die Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Immunologie, Prof. Christine Falk (Hannover), hält eine Verkürzung für falsch. «Aus immunologischer Sicht sind vier Wochen Abstand zu der dritten Impfung zu früh», sagte Falk der Deutschen Presse-Agentur. Das Immunsystem sei dann noch mit der «Reifung» zugange. «Dabei werden vor allem die Antikörper noch einmal verbessert - wie bei der Reifung eines guten Weines».

«Wenn man diesen Vorgang zu früh durch eine dritte Impfung mit der Verabreichung des Antigens beschäftigt, stört das den Reifungsprozess eher, als dass es ihn unterstützt.» Außerdem seien die Antiköperspiegel nach vier Wochen auf dem höchsten Niveau - «daher bringt eine dritte Impfung zu diesem frühen Zeitpunkt noch nicht so viel», sagte Falk. Es sei besser, die Ressourcen dafür einzusetzen, um Menschen zu boostern, deren Zweitimpfung mehr als sechs Monate zurückliege oder für Risikogruppen.

In einem am Montag unter anderem an Kreise und kreisfreie Städte versandten Erlass hieß es wörtlich: «Personen, bei denen die Grundimmunisierung weniger als fünf Monate zurückliegt, sind jedoch nicht zurückzuweisen und ebenfalls zu impfen - sofern ein Mindestabstand von vier Wochen erreicht ist.»

Wüst sagte, man habe «schon die ganze Zeit» niemanden zurückgewiesen, der einige Tage oder Wochen vor Ablauf der fünf Monate nach der Zweit-Impfung einen Booster wollte. Nun habe man eine «Untergrenze» von vier Wochen eingezogen. Man empfehle jetzt aber nicht, «nach vier Wochen zu laufen.» Mit einem neuen Erlass sollten «kommunikative Fragezeichen» nun geklärt werden.


Bildnachweis: © Christoph Soeder/dpa
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