25. November 2021 / Aus aller Welt

Mehr als 100.000 Corona-Tote in Deutschland

Die Zahl der Corona-Toten hat eine traurige Marke überschritten. Wie schnell kann der starke Anstieg der Fallzahlen abgebremst werden - und mit welchen Mitteln? Der Druck auf die Ampelparteien ist enorm.

Die Zahl der Corona-Toten hat die Marke von 100.000 überschritten.

Die Zahl der an oder mit Corona gestorbenen Menschen in Deutschland hat die Schwelle von 100.000 Toten überschritten. Das geht aus Zahlen des Robert Koch-Instituts (RKI) vom frühen Morgen hervor.

Demnach meldeten die Gesundheitsämter dem RKI jüngst 351 Todesfälle binnen 24 Stunden, die Gesamtzahl seit Beginn der Pandemie liegt nun bei 100.119.




Die Sieben-Tage-Inzidenz erreichte erneut einen Höchststand und liegt nun bei 419,7 Ansteckungen pro 100.000 Einwohner innerhalb einer Woche. Die Zahl der binnen eines Tages übermittelten Neuinfektionen überschritt erstmals die Schwelle von 70.000. Die Gesundheitsämter meldeten laut RKI-Angaben 75.961 neue Corona-Fälle in 24 Stunden.

Wer waren diese Menschen?

Der RKI-Wochenbericht (Stand 18. November) erlaubt zumindest eine Annäherung: Der überwiegende Großteil der Gestorbenen, 86 Prozent, sei 70 Jahre und älter gewesen. Mit dem Alter steigt bei Corona das Risiko für schwere und tödliche Verläufe. Die Zahl der Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen unter 20, die in dem Zusammenhang starben, ist laut Bericht mit 33 wesentlich niedriger. Die Todesfälle bei jungen Menschen prüft das RKI einzeln.

Neben dem Alter gehen auch eine Reihe von Vorerkrankungen und Behinderungen mit einem höheren Covid-19-Risiko einher. Wie die Ständige Impfkommission aufzählte, gilt das etwa bei dialysepflichtigen chronischen Nierenerkrankungen, Demenz, Down-Syndrom, starkem Übergewicht, Diabetes, bestimmten Lungenerkrankungen und psychiatrische Erkrankungen wie schwerer Depression. Auch Schwangere haben ein deutlich erhöhtes Corona-Risiko: Ärzte berichteten wiederholt von Fällen, in denen Babys noch gerettet werden konnten, die Mütter aber starben.

Winter fordert die meisten Toten

Die meisten Corona-Toten gab es laut RKI im vergangenen Winter mit teils mehr als 1000 pro Tag gemeldeten Fällen. Momentan sind die Sterbezahlen wesentlich niedriger, obwohl es deutlich mehr Infektionen gibt. Dass jetzt weniger Infizierte sterben, liegt auch daran, dass große Teile der Bevölkerung geimpft sind - insbesondere bei älteren Menschen, die anfälliger für schwere Verläufe sind.

Um die Zahl der Corona-Toten aber dauerhaft niedrig zu halten, müssten deutlich mehr Menschen in Deutschland geimpft sein. Sollte es da keinen Fortschritt geben, müsse sich Deutschland auf mindestens 100.000 weitere Corona-Tote vorbereiten, «bevor sich das Fahrwasser beruhigt», sagte kürzlich der Berliner Virologe Christian Drosten. «Das ist eine konservative Schätzung.» Er leitet die Zahl durch vergleichende Überlegungen mit Großbritannien her.

Laut RKI gehen in die Statistik Todesfälle ein, bei denen ein laborbestätigter Corona-Nachweis vorliegt und die in Bezug auf diese Infektion verstorben sind. Erfasst werden demnach sowohl Menschen, die unmittelbar an der Erkrankung verstorben sind, als auch Infizierte mit Vorerkrankungen, bei denen sich nicht abschließend die Todesursache bestimmen lässt.

Mehr Tote in anderen EU-Ländern

Gegenüber anderen Industrienationen steht Deutschland bei den Toten-Zahlen noch vergleichsweise gut da, wie aus Daten der Johns-Hopkins-Universität (JHU) in Baltimore hervorgeht. Deutlich mehr Tote pro 100.000 Einwohner sind es in Frankreich, Spanien, Großbritannien und Italien. Fast doppelt so viele Corona-Tote pro 100.000 Einwohner wie Deutschland verzeichnen die USA, mehr als drei Mal so viele sind es in Bulgarien. Dagegen gibt es in Dänemark bislang weniger als halb so viele Corona-Tote pro 100 000 Einwohner wie in Deutschland. Allerdings ist zu beachten, dass die Zahlen wegen unterschiedlicher Meldesysteme nur bedingt Vergleiche zulassen.

Neuer Bund-Länder-Krisenstab

Die Ampel-Parteien wollen nach Angaben der Grünen Anfang Dezember über schärfere Corona-Maßnahmen in Deutschland beraten. «Wir haben uns zehn Tage Zeit gegeben, um zu sehen, sind wir bei den Booster-Impfungen, sind wir bei den Schutzmaßnahmen weit genug gekommen», sagte Grünen-Chefin Annalena Baerbock am Mittwochabend in der ARD. Der neue Bund-Länder-Krisenstab solle die Situation täglich unter die Lupe nehmen. Nach diesen zehn Tagen werde man gemeinsam analysieren, ob weitere Maßnahmen nötig seien.

Im Kampf gegen die vierte Corona-Welle war am Mittwoch das geänderte, von den Ampel-Parteien auf den Weg gebrachte Infektionsschutzgesetz in Kraft getreten. Die Länder haben damit zwar weiter die Möglichkeit, Maßnahmen wie Maskenpflicht, Kontaktbeschränkungen oder Verbote von Veranstaltungen anzuordnen oder aufrechtzuerhalten. Flächendeckende Ausgangsbeschränkungen und Schulschließungen gehören aber nicht mehr zu den erlaubten Werkzeugen. Das Gesetz soll nach den bisherigen Plänen am 9. Dezember in einer Bund-Länder-Runde überprüft und gegebenenfalls nachgeschärft werden.

«Wir müssen jetzt intensiv handeln»

Führende Unionspolitiker dringen auf mehr Tempo. Die auf den Weg gebrachten Maßnahmen würden wahrscheinlich nicht reichen, sagte Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus (CDU) am Mittwochabend in der ARD. «Wir müssen jetzt intensiv handeln.» Die geplante Bewertung am 9. Dezember sei «viel zu spät». Zuvor hatte der saarländische Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) ein rasches Treffen der Länder-Regierungschefs gefordert, am besten noch in dieser Woche.

Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur hatte die geschäftsführende Kanzlerin Angela Merkel (CDU) den Spitzen der Ampel-Parteien am Dienstagabend im Kanzleramt angeboten, die Maßnahmen angesichts der drohenden Überlastung des Gesundheitswesens deutlich zu verschärfen. Eine gesetzliche Notbremse oder klare Lockdown-Vereinbarungen mit den Ländern wären die nahe liegenden Optionen, hieß es. Die «Bild» berichtete, Merkel habe einen Lockdown bereits von heute an gefordert, SPD, FDP und Grüne hätten den Vorschlag abgelehnt.

Bei der Vorstellung des Koalitionsvertrages von SPD, Grünen und SPD kündigte der voraussichtliche künftige Kanzler Olaf Scholz (SPD) am Mittwoch die Einrichtung eines ständigen Bund-Länder-Krisenstabs im Kanzleramt an. Das Gremium soll seinen Angaben zufolge schon die Arbeit aufnehmen, bevor die Ampel-Regierung im Amt ist. Scholz sagte am Abend in der ARD: «Es geht darum, ein ständiges, professionelles Begleiten dieser Situation zu organisieren.» Es sei wichtig, tages- und wochenaktuell alle Daten zur Verfügung zu haben und daraus sofort die notwendigen Schlüsse zu ziehen.


Bildnachweis: © Robert Michael/dpa
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